Arbeitslosigkeit ist normalerweise kein Thema für einen Betriebsrat, da er ja die Interessen derjenigen vertritt, die bereits eine Stelle im Unternehmen haben. Außenstehende (z.B. Firmen, die uns Rabatte für Sie anbieten) glauben oft, es an den Universitäten mit besonders viel wohlhabenden Menschen zu tun zu haben. Tatsächlich liegen AkademikerInnen mit einer Vollzeitanstellung, besonders ältere und ganz besonders ProfessorInnen über dem österreichischen Durchschnittslohn. Das kann aber nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass das Prekariat in den letzten Jahren zu einer Hauptsorge für das wissenschaftliche Personal geworden ist. Seit (bzw. nach Meinung vieler Betriebsratsmitglieder: aufgrund) der Ausgliederung der Universitäten aus dem Bundesdienst hat sich die soziale Schere sehr rasch sehr weit geöffnet. Wegen der vielen Anstellungen mit sehr geringem Stundenausmaß bekommen Tausende ArbeitnehmerInnen der Universität Wien einen Monatslohn, der rund um die Geringfügigkeitsgrenze oder sogar darunter liegt. Die im Universitätsgesetz verankerte Möglichkeit, Kettenverträge zu vergeben, sorgt dafür, dass MitarbeiterInnen auch nach jahrelanger Anstellung kein Recht auf Weiterbeschäftigung erwerben. Für uns als Betriebsrat ist diese Situation äußerst unbefriedigend, weil weder wir noch die Gewerkschaft irgendwie eingreifen können, wenn KollegInnen mitgeteilt bekommen, dass die Uni ihre Dienste nicht mehr braucht bzw. sehr oft zwar sehr wohl noch braucht, aber keine unbefristete Anstellung dafür erübrigen will. Die betroffenen KollegInnen fühlen sich zwar gekündigt, sind dies aber nicht im rechtlichen Sinn.
Weil Prekariat und Arbeitslosigkeit für die allermeisten Mitglieder des wissenschaftlichen Personals als zentrales Problem erfahren werden, haben wir hier für Sie zusammengestellt, was Sie beachten müssen, wenn Sie arbeitslos werden bzw. sind.
Wenn Sie arbeitslos werden, melden Sie sich bitte so rasch wie möglich beim Arbeitsamt (AMS) Ihres Wohnorts und beantragen Sie Arbeitslosengeld! Sobald für Sie absehbar ist, dass Sie ab einem bestimmten Tag arbeitslos sein werden, können Sie das dem AMS bereits mitteilen. Wie und wo die Meldung erfolgt und was Sie dabei beachten sollen, erfahren Sie auf der Homepage der Arbeiterkammer.
Wenn Sie an Ihrem letzten Arbeitstag krank geschrieben sind und auch noch an den ersten Tagen, an denen Sie keine Arbeit haben, krank sind, läuft die Krankenversicherung zunächst weiter und werden diese Tage beim AMS so bewertet, als wären Sie beschäftigt gewesen. (Im Fachjargon: Krankengeldbezug, der aus einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis heraus entstanden ist, verlängert die Anwartschaft.)
Als Arbeitslose/r sind Sie bei der Gebietskrankenkasse Ihres Bundeslandes versichert. Da Universitätsangestellte ja bei der BVA versichert sind, bedeutet das einen Wechsel der Krankenkasse. Unter Umständen können Sie dann nicht mehr dieselben Ärzte konsultieren. Auch bei einer privaten Zusatz-Krankenversicherung könnten sich durch diesen Wechsel Mehrkosten ergeben. Welche Ärzte welche Krankenkasse haben, erfahren Sie bei der Ärztekammer (Wien, Niederösterreich, usw.). Die Modalitäten bei einer Zusatz-Krankenversicherung müssen Sie mit dem Versicherungsunternehmen klären, mit der Sie die Versicherung abgeschlossen haben. Am besten bedenken Sie die Möglichkeit eines Wechsels der Krankenkasse schon bei Abschluss der privaten Versicherung.
Wenn Sie Ihre Arbeit an der Universität Wien beenden, sollte kein Urlaubsanspruch mehr offen sein. Urlaub, der nachweislich nicht konsumiert werden konnte, muss vom Dienstgeber finanziell abgegolten werden. In der Regel achten Dienstgeber aber darauf, dass derartige finanzielle Ansprüche gar nicht erst entstehen. Der Sinn des Urlaubs liegt ja in der Erholung, nicht in der Schaffung zusätzlicher Einnahmsquellen!
Unter bestimmten Umständen gibt es in Österreich für Gekündigte sog. Postensuchtage, d.h. Freizeit für das Suchen einer neuen Arbeit. Im Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten sind keine Postensuchtage vorgesehen, ein Anspruch auf Postensuchtage entsteht zudem nur bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber, nicht bei Vertragsende durch Zeitablauf. Werden Postensuchtage beantragt, so gehen sie dem Urlaub bevor. Näheres zum Thema Postensuchtage finden Sie auf der Homepage der WKO.
Was bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber alles zu beachten ist, steht auf der Homepage der Arbeiterkammer. Die Möglichkeiten, die Kündigung bei Gericht anzufechten, hängen von der Stellungnahme ab, die der Betriebsrat zur Kündigung gegeben hat. Eine Kündigung darf vom Dienstgeber nur dann rechtswirksam ausgesprochen werden, wenn er dem Betriebsrat vorher das Recht eingeräumt hat, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihnen eine Kündigung droht, sollten Sie den Betriebsrat so rasch wie möglich kontaktieren. Der Betriebsrat kann zwar die Kündigung nicht verhindern, aber seine Stellungnahme ist entscheidend für Ihre Rechte, wenn Sie die Kündigung bei Gericht anfechten wollen. Die österreichischen Gesetze bieten einen relativ guten Schutz, wenn ein Arbeitgeber versucht, unbequeme und/oder ältere (d.h. teurere) MitarbeiterInnen durch Kündigung loszuwerden und durch neue Kräfte zu ersetzen.
Oft bieten Arbeitgeber statt einer Kündigung eine sog. einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an. Eine solche Auflösung klingt im Lebenslauf meist besser als eine Kündigung, bietet aber zugleich auch dem Dienstgeber den Vorteil, dass ein nachträglicher Protest nahezu unmöglich ist, da ja offiziell alles im besten Einvernehmen erfolgt. Der Betriebsrat hat bei einvernehmlichen Lösungen zwar keine Rolle, aber wenn Sie sofort, nachdem Ihnen die Universität eine einvernehmliche Lösung vorgeschlagen hat, den Wunsch nach einer Beratung durch den Betriebsrat kundtun, kann eine einvernehmliche Lösung frühestens erst nach zwei Arbeitstagen gültig vereinbart werden (dazu mehr). Diese Regelung dient dazu, dass Sie sich nicht im ersten Schock zu für Sie ungünstige Vereinbarungen hinreißen lassen.
Eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses muss nicht immer vom Arbeitgeber ausgehen. Auch ArbeitnehmerInnen, die wegwollen, haben die Möglichkeit, statt selber zu kündigen, ein solches Einvernehmen anzustreben. Bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses brauchen Sie keinerlei Kündigungsfristen zu beachten. Uns ist kein Fall bekannt, bei dem die Universität den Wunsch von MitarbeiterInnen nach einer einvernehmlichen Auflösung abgelehnt hätte. Falls Sie dennoch selber kündigen wollen, müssen Sie wissen, dass Sie in diesem Fall in den ersten vier Wochen einer allfälligen Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben! Lassen Sie sich daher nie überreden, selbst zu kündigen, wenn Sie dies nicht wirklich selbst wollen!
Übrigens: Dienstgeber die Person, die im Namen der Universität Ihren Arbeitsvertrag unterschrieben hat, also der Rektor, und als Sprecherin des Rektors fungiert im Fall einer Kündigung die DLE Personalwesen. Das bedeutet, dass Ihre direkten Vorgesetzten sowie die Dekane/Dekaninnen und ZentrumsleiterInnen gar keine Kündigung aussprechen dürfen, sondern nur im Rektorat vorstellig werden können, damit dieses die Kündigung ausspricht! Es ist durchaus möglich, dass Rektor und Personalwesen den Kündigungswunsch ablehnen; sehr oft setzen sich allerdings die hierarchisch höher stehenden Personen durch.
Noch ein guter Tipp: Wenn Ihnen die Kündigung angedroht oder ausgesprochen wird, und Sie gerne weiterarbeiten würden, dann erklären Sie bitte sofort Ihre Arbeitsbereitschaft, am besten per Mail! Damit verhindern Sie zwar nicht die Kündigung, haben aber bessere Karten, wenn Sie die Kündigung später anfechten.
Bei Vertragsende durch Zeitablauf haben Sie leider in der Regel keinerlei Rechte, etwas anzufechten oder einen unbefristeten Vertrag einzufordern. Ein Recht auf einen unbefristeten Vertrag haben Sie nur, wenn Sie am Stück länger als die im Universitätsgesetz (§ 109 UG 2002) definierte maximale befristete Anstellungsdauer angestellt waren.
Das AMS informiert sehr gut über Ihre Ansprüche bei Arbeitslosigkeit (AMS-Link 1, AMS-Link 2, AMS-Link 3).
Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach Ihren bisher erzielten Einkünften und der Dauer, in der Sie erwerbstätig waren. Für die allererste Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld brauchen Sie eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 52 Wochen innerhalb der der letzten zwei Jahre vor der Beantragung; bei Personen unter 25 und bei Personen, die schon einmal Arbeitslosengeld bezogen haben, genügt ein kürzerer Zeitraum (Details auf der Webseite des AMS). Auf der Webseite des AMS wird auch erklärt, wie die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt wird.
Wenn Sie nach einer gut bezahlten Anstellung noch eine weniger gut bezahlte anschließen, reduziert das Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wägen Sie in so einem Fall gut ab, wie hoch die Chancen sind, nach der weniger gut bezahlten Tätigkeit arbeitslos zu werden, und ob Ihnen mehr Geld oder mehr berufliche Erfahrung wichtiger sind.
Das KV-Entgelt für manche Lehraufträge liegt unter der Geringfügigkeitsgrenze (z.B. 2 Semesterstunden wissenschaftliche Lehre auf der Gehalts-Grundstufe). Das bedeutet, dass Sie damit nicht bei einer Sozialversicherung angemeldet werden bzw. dass Sie Sozialleistungen wie beispielsweise die Arbeitslosenunterstützung nicht verlieren, wenn Sie parallel dazu ein geringfügiges Einkommen erhalten – konkret also einen Lehrauftrag annehmen, der unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Allerdings müssen Sie dabei beachten, dass Sie einen allfälligen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren, wenn Sie innerhalb eines Monats nach dem Ende Ihrer arbeitslosenversicherten Stelle eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber annehmen. Damit das nicht passiert, sollten Sie Ihren geringfügig bezahlten Lehrauftrag so blocken, dass zwischen dem Ende der Stelle und dem Antritt der geringfügigen Beschäftigung mindestens ein Monat liegt. Für eine geringfügige Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber (andere Universität, Fachhochschule, usw.) gilt diese Beschränkung natürlich nicht.
In den Medien ist viel von der bedarfsorientierten Mindestsicherung die Rede. Das ist jedoch keineswegs die soziale Hängematte, als die sie oft dargestellt wird, denn man erhält sie nur, wenn Einkommen und Vermögen aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen entsprechend niedrig sind. Sie kann allerdings dann eine gute Überbrückung sein, wenn man durch eigene Arbeit noch keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung aufgebaut hat oder wenn die Arbeitslosenunterstützung aufgrund sehr geringer Einkommen entsprechend gering ausfällt oder bei Langzeitarbeitslosigkeit. Informationen zur bedarfsorientierten Mindestsicherung im Allgemeinen und im Besonderen in Wien.
KollegInnen, die arbeitslos werden und sich deshalb als Gescheiterte fühlen, empfehlen wir die Lektüre der Auflistung von Misserfolgen eines amerikanisch-deutschen Junior Professors der Princeton University!