Dezember 2017
Editorial
Karl Reiter
Sehr geehrte Frau Kollegin!
Sehr geehrter Herr Kollege!
Eigentlich wollten wir als Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal bereits in der Vorwoche unsere Betriebsratsnachrichten an Sie versenden – durch eine Vielzahl von Besprechungsterminen und Beratungsgesprächen fand ich jedoch keine Zeit ein Editorial zu verfassen. Nun – das ist gut so, denn so kann ich als Vorsitzender des Betriebsrates diese Ausgabe der BR-Nachrichten dazu nutzen, um „unserem“ Vizerektor Prof. Heinz Faßmann alles Gute und viel Erfolg für sein Amt als Minister für Bildung zu wünschen – auch wenn ich persönlich meine, dass es viele Aspekte in der neuen Regierung gibt, die Grund zur Sorge bedeuten.
So ein Regierungswechsel lädt dazu ein, sich Gedanken zu machen, was nun anders werden wird als in den Jahren zuvor. Eines ist klar – universitäres Leben in Forschung und Lehre ist schon seit vielen Jahrzehnten nicht durch planbare Karriereverläufe, Wohlstand & gute Laune gekennzeichnet. Und trotzdem ist die aktuelle Universitätslandschaft eine andere als vor Jahren – heute prägen Neoliberalismus, Unsicherheit, Evaluierungen, Befristungen, Prekariat und letztendlich für viele der Weg in die Altersarmut die Universitäten – und es gilt heute mehr als in früheren Jahrzehnten die Aussage Max Webers in seinem Essay „Wissenschaft als Beruf“, dass akademisches Leben ein „wilder Hasard“ ist.
Akademische Bildung öffnet den Weg in eine sichere berufliche Zukunft – ein Aberglaube? Die positiven beruflichen Perspektiven gelten sicher für einen großen Teil der Menschen nicht, die akademische Bildung vermitteln, denn Beschäftigungsverhältnisse mit Befristungen, Teilzeit und schlechter Entlohnung lassen den Begriff Prekariat als wesentliches Thema in der täglichen Betriebsratsarbeit erscheinen.
Vielfach sind Gesetze an die realen Verhältnisse der Universitäten nicht angepasst bzw. wird mittels sehr enger oder sehr weiter Auslegung durch die autonomen Rektorate dem durch den Gesetzgeber intendierten Inhalt der Gesetze oft entgegengesetzt gehandelt. Das dramatischste Beispiel dafür ist die extrem geringe Anzahl von Laufbahnstellen, denn auch für sehr erfolgreiche Univ. Ass., die z.B. längst habilitiert sind, gibt es meist nur befristete Stellen ohne Chance auf eine zukünftige Dauerstelle, und damit ist ein enormer Braindrain von Österreichs Universitäten verbunden.
Die Entlohnung unserer KollegInnen mag ja in manchen Sektoren im Vergleich mit anderen Ländern gar nicht so schlecht sein. Aber dabei darf nicht vergessen werden, dass nur eine Minderheit Vollzeitverträge hat, und es ist eine klar beweisbare Tatsache, dass die Lebenseinkommenssumme von KollegInnen mit Senior-Lecturer- und Senior-Scientist-Verträgen (Stellen, die „lebenslang“ in der Gehaltsgruppe B1 bleiben) um einiges geringer ist als jene von AHS/BHS-LehrerInnen.
Aber wir wollen nicht nur jammern. So manche Entwicklung der letzten Monate lässt auf eine bessere Zukunft hoffen. Die bereits im Juni beschlossene Steigerung des Universitäten-Budgets um 1,35 Milliarden Euro und auch die Mechanismen der bedarfsorientierten Studienplatzfinanzierung sollten positive Effekte auf die finanzielle Situation der Universität Wien haben – falls sie durch die neue Regierung nicht (z.B. durch neue Sparmaßnahmen) zurückgenommen werden. Zu hoffen ist, dass sich diese erwartete Budgetsteigerung auf ALLE Beschäftigungsverhältnisse strukturell (Steigerung der Dauerposten, Entfristungen) positiv auswirkt. In dieser Situation des erwarteten Aufbruches im Bereich der Universitäten ist aber auch Kontinuität in der Führung der Universität ein wesentlicher Faktor für den Erfolg.
Ich darf Ihnen und Ihrer Familie angenehme und geruhsame Feiertage und ein erfolgreiches Jahr 2018 wünschen.
Karl Reiter
Vorsitzender des BRWUP